Die „Alte Kelter“ zu Fellbach
Erbaut: 1907 Grundfläche: 30 x 96m
Renovierung: In den 90ziger Jahren Reparaturkosten: 2,5 Mio. DM
Als Nachfolgerin der „ganz alten“ (sie stand auf der anderen Straßenseite) wurde die Alte Kelter 1906/1907 gebaut. Oberlehrer Eppinger spricht in seinem Buch über Fellbach von einem „Meisterwerk, das Fellbach zur Zierde und Ehre gereiche“. (Merkwürdigerweise scheint über den Architekten und die Baufirma, dieses genialen Fachwerkbaus nichts bekannt zu sein).
Vier hydraulische Pressen bewältigten die im Herbst angelieferten Trauben und durch die vielen Tore fahren die Wagen der Weingärtner und die der kaufenden „Weinherren“ ein und aus. Hoch über dem geschäftigen Treiben gibt es eine Vesperstube, in der die Weingärtner, der Arbeiter und Weinherren vesperten und dort wurden auch die Verkäufe per Handschlag abgeschlossen, nachdem der gärende Most vorher direkt aus den offenen Bütten probiert worden war. Dabei hatten die Weingärtner oft das Nachsehen, denn die Weine und Moste mussten mangels Lagermöglichkeit (die Kelter ist nicht unterkellert) noch im alten Jahr verkauft und abgeholt sein.
Als dann in den 30er Jahren die neue Kelter gebaut wurde, hatte die „Alte“ eigentlich ausgedient und jetzt begann ein schier unglaubliches, jahrzehntelanges Gezerre um dieses bauliche Juwel. Erhalten, nicht erhalten, erhalten, aber wozu? Vor und während des Krieges wurden Kartoffeln und vielerlei Anderes gelagert, auch Baumaterial und schon 1945, also wenige Monate nach Kriegsende, stellten Fellbacher Gewerbebetrieb in Form einer Ausstellung Ihre Erzeugnisse aus.
Viele Jahre währte dann die Unsicherheit über das weitere Schicksal des Hauses, bis 1976 der Gemeinderat den Abriss wegen „mangelnder Standfestigkeit“ beschloss. Außerdem könnte man ja Parkplätze für das nahe Freibad erstellen. Friedrich Wilhelm Kiel wurde Oberbürgermeister und ihm gefiel der Abrissbeschluss gar nicht. Auch der leitende Statiker der Technischen Hochschule unkte: „ Meine Damen und Herren, lassen sie die Halle stehen, in ihr finde ich alle Fehler, die beim Bau einer solchen Halle gemacht werden können. Wenn sie stehen bleibt, muss ich mit meinen Studenten nicht in der ganzen Welt herumfahren um dort, das heißt anderswo, nach Baufehlern zu suchen, aus denen man lernen kann.“ (Ich finde diese Aussage ziemlich abenteuerlich, angesichts dieses wunderbaren Baus.) OB hin, Statiker her, am 4. Nov. 1981 beschließt der Gemeinderat einen Bebauungsplanänderung um dort, zwar keine Parkplätze, sondern Wohnungen bauen zu können. Aber vielleicht kann man die Halle doch retten?
Gutachter vom Tiefbauamt schlagen vor, Betonwände zur Stabilisierung einzuziehen. Auch das Denkmalamt ist ständig tätig. Mal erlaubt es den Abriss, mal untersagt es ihn. 1987 wird dann die Halle an verschiedene Landwirte vermietet. Diese sollten dort ihren „Gruscht“ (Maschinen, Wagen usw.) lagern und nicht, wie von ihnen gewünscht um Fellbach herum dafür Scheunen bauen. (Mit dem Wort „Gruscht“ bewies der O.B. seine vorzüglichen schwäbischen Sprach-kenntnisse). 1997 verschob dann Orkan Wiebke den Giebel um 48cm nach Osten. Einsturzgefahr. Gemeinderat beschließt erneut Abbruch. Denkmalamt stimmt erneut zu. Der O.B. zögert. Er sucht nach Auswegen. Gemeinderat Rass: „Sagen Sie Herr Oberbürgermeister, wollen Sie die Beschlüsse des Gemeinderats irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen?“ – Antwort ist nicht überliefert. Wieder Herr Müller. Er weiß von der Technik, mit der man in einem solchen Fall Gebäude wieder gerade schieben kann. So geschiehts.
Über mehrere Wochen schiebt der Koloss das Gebäude – nachdem alle Ziegel unten waren – wieder gerade. Danach wurden auf die Dachsparren Paneele angebracht, die man heute noch sehen kann, um das Dach zu stabilisieren. Stabil wars nun. Wie geht es weiter? Eine teure stabilisierte, im Winter kalte Halle? Bringt nix!
Da mehr als ein Jahr vergangen ist, lässt der O.B. erneut abstimmen. Ergebnis: Große Mehrheit des Gemeinderats ist fürs Stehenlassen. Er beschließt über den Sparren und Paneelen eine Isolierung anbringen zu lassen und dann erst das Dach neu einzudecken. Wieder Herr Rass: „Sagen Sie Herr Oberbürgermeister, betreiben sie mit uns Salamitaktik?“ „Ja“, meint dieser. Herr Ulrich Spieth: „So, und was kommt als Nächstes?“ Allgemeines Gelächter. Gerhard Aldinger ist erbost: „Keine weitere Mark für die Kelter.“ Trotzdem geht ab jetzt alles glatt.
Es kommt die Fußbodenheizung, der Ausbau der alten Vesperstube zur Vinothek, wie sie ab sofort heißt, weil in der ganzen Alten Kelter und insbesondere in der Vinothek soll der Remstalwein und besonders der Fellbacher Wein sein Zuhause behalten. Zum Trinken gehört das Essen. Es wurde versucht eine Verbindung herzustellen. 10 Jahre gelang das nur unvollkommen. Bis dann 2013 Herr Gert Aldinger (der Jüngere) sagte: „Liebe Petzolds, Ihr macht das.“ Und seit 2014 machen wir das. Das hier Geschriebene ist ein Fragment, das hauptsächlich auf einem Interview mit Alt-O.B. Friedrich Wilhelm Kiel besteht. Die „Alte Kelter“ verdient, dass das Fragment ergänzt – auch korrigiert – wird.
Wenn Sie liebe Leser, Zusätzliches wissen, sagen Sie es mir, damit ich es einfügen kann. (Ich arbeite hier).
Friedrich Böhm, im Juli 2015